Ein Schatz für Stolberg


Die Ergebnisse intensiver Arbeiten waren am 19. Juni 2004 in der Niedergasse 19 in Stolberg zu besichtigen. Unübersehbar für alle Besucher, dass nach fast dreijähriger Bauzeit die ALTE MÜNZE wieder zu den schönsten Häusern Stolbergs gehört. Die Stadt ist um ein Kleinod reicher, auch wenn im Inneren in der dritten Etage noch Ausstellungsräume gestaltet werden müssen. Der Termin für die Fertigstellung ist derzeit nicht absehbar, die notwendigen Fördermittel sind jedoch bewilligt und die Arbeiten können fortgesetzt werden.

Die ersten Beschlüsse zur Umgestaltung des ehemaligen Heimatmuseums in Stolberg gab es im Stadtrat am 3. Juli 2001, im Ergebnis entstanden bis zum 20. August 2001 Überlegungen zu einer Konzeption zur Entwicklung des Heimatmuseums Stolberg (Harz), die die Grundlage für den ersten Förderantrag vom 1. Oktober 2001 bildeten.

Zu jedem mit öffentlichen Mitteln finanziertem sanierten Haus gehört auch ein Nutzungskonzept. Ausgangspunkt der Überlegungen bildete die Geschichte des stattlichen Fachwerkhauses, das 1535 vom damaligen Münz- und Bürgermeister Kilian Keßler (gest.1571) als Münzwerkstatt errichtet wurde. Über das Entstehungsjahr informiert eine gut sichtbare Inschrift über der Toreinfahrt: "Anno domini 1535 Am tage Kiliani mit gots hilfe gericht, Kilian Kesseler, Hans Bunt - laus deo ". Der Münzmeister Hans Glintz d.Ä. prägte in der Werkstatt 1546 den ersten Stolberger Taler, sein Sohn setzte den Betrieb der Münzstätte bis 1566 fort. Im 17. Jahrhundert ging das Haus aus gräflichem Besitz an die Familie von Hacke über, die es zum adligen Stadthaus umbauen ließ. Anschließend nutzten gräfliche Beamte das Gebäude als Wohnhaus. Um 1845, wieder im gräflichen Besitz, wurde es als Konsistorium, Bergamt und Amtsgericht mit Gefängnistrakt eingerichtet.

Mitte der fünfziger Jahre beschlossen Bürger Stolbergs auf Initiative von Bernhard Langer in einer Einwohnerversammlung die Einrichtung eines Museums in dem ehemaligen Konsistorialgebäude. Das Kleine Bürgerhaus in der Rittergasse konnte die Schätze der Stadtgeschichte, die der 1924 gegründete Geschichtsverein zusammen getragen hatte, nicht mehr aufnehmen. Außerdem beherbergte das Gebäude in der Niedergasse nach 1959 als städtisches Kulturhaus auch eine öffentliche Bibliothek. Die einzelnen Abteilungen des 1955 eröffneten Heimatmuseums beschäftigten sich mit den Themen Bergbau, Natur und Umwelt, Geschichte der Grafschaft Stolberg, städtisches Handwerk, Thomas Müntzer und Wohnkultur.

Eine Abteilung wurde schon zu diesem Zeitpunkt der Münzwerkstatt gewidmet. Diese bildete den Ausgangspunkt für Überlegungen zur Umgestaltung. Die Münzprägung hat in Stolberg eine lange Tradition. Bekannt sind heute etwa 1500 Prägungen, von den ersten Brakteaten mit Hirschgeweih oder Hirschdarstellungen bis zu den Talern des 18. Jahrhunderts. Andere Münzstätten befanden sich im Thomas-Müntzer-Haus, im Jägerhof (Justus Eberhard Volkmar Claus) und in der Nähe des Seigerturms (durch Johann Jeremias Gründler, einem der berühmtesten Münzmeister Deutschlands betrieben).

Die Einrichtung einer Münzwerkstatt lag nahe, zumal die Überlieferung der originalen Münzmaschinen des 18. Jahrhunderts einmalig in Europa ist. Die Konzeption, am 25. Oktober 2002 im Stadtrat zur Zustimmung vorgelegt und seit 7. Dezember 2002 als Arbeitsmaterial fertig gestellt und dem Bürgermeister anlässlich des 1. Kolloquiums zur Stadtgeschichte von der Arbeitsgruppe übergeben, wurde mehrfach öffentlich vorgestellt, vor Mitarbeitern des Kultusministeriums verteidigt, mit Vertretern der Wirtschaft, Sponsoren, dem Geschichtsverein und interessierten Bürgern diskutiert. Bereits zum Tag des offenen Denkmals 2003 konnten mit dem neuen Balancier erste Klippen geprägt werden, zu Weihnachten gab es Schokoladentaler. Die Gestaltungspläne für die Ausstellung, deren Umsetzung 2003 begann, wurden im Erdgeschoss öffentlich ausgehangen. Also, bezugnehmend auf öffentliche Reaktionen nach der Eröffnung des Hauses, genug Gelegenheit, die Pläne zur Kenntnis zu nehmen und ausführlich zu diskutieren.

Zum Besuch des Bundespräsidenten Johannes Rau am 4. März 2004 konnte die interessierte Öffentlichkeit nicht nur einen Blick auf den völlig umgestalteten Eingangsbereich des Museums werfen, auch die Werkstatt war fertig und die erste Prägung der Jahresmedaille, gestaltet durch Carsten Theumer, erhielt Herr Rau als Geschenk der Stadt.

Einzigartig im neuen Museum ist auch die Verbindung von Werkstattbereich und Ausstellung, in deren Mittelpunkt die Münzen Stolbergs im mitteldeutschen Kontext stehen. Damit sollte ein Beitrag zur Entwicklung des Tourismus der gesamten Region geschaffen und nicht nur deutsche Münzfreunde zu einem Besuch angeregt werden. In unmittelbarer Nachbarschaft befindet sich das Schaubergwerk Grube Glasebach in Straßberg. Beide Einrichtungen sollten gemeinsam entwickelt werden, im 18. Jahrhundert bildeten die Straßberger Gruben als bedeutendster Silberlieferant die Grundlage für die Stolberger Münzproduktion. Landkreisgrenzen sollten kein Hindernis sein für gemeinsame Aktionen und Veranstaltungen.

Es ist ein Zufall, dass in Stolberg die Münzstätte so komplex erhalten blieb. Andernorts sind bis heute fast alle Einrichtungen von Münzstätten verloren gegangen, weil alte Geräte oftmals weiterverkauft oder eingeschmolzen bzw. umgearbeitet wurden. Somit ist diese historische Prägestätte nicht nur ein exzellentes regionalgeschichtliches, sondern auch ein unschätzbares technisches Denkmal von europäischem Rang.

Der Beschluss des Stadtrates sieht übrigens im 2. Obergeschoss eine Ausstellung zu stadtgeschichtlichen Themen vor, ein Raum wird die Stadtgeschichte um 1500 einschließlich eines Thomas-Müntzer-Zimmers aufnehmen, ein zweiter die städtische Wirtschaft im 18. Jahrhundert und ein weiterer die Stolberg-Sammlung. Der letzte Raum wird als Sonderausstellungsraum mit wechselnden Themen hoffentlich auch Interesse bei Besuchern aus der Region finden. Zusätzlich wird, möglich geworden durch die Umbauten im 2. Obergeschoss, im Flurbereich eine Galerie für wechselnde Präsentationen entstehen.

In den vergangenen Jahren beschäftigten sich auch Wissenschaftler und Studenten mit Problemen der Stolberger Stadt- und Münzgeschichte. Eine Reihe von Publikationen sind entstanden. Der neue Begleitband zur Ausstellung zeigt ein breitgefächertes Interesse an den Themen, das Kinderbuch von Arabell Grindel ist schon jetzt ein Bestzeller und zeigt das Interesse der kleinsten Besucher. Für Experten gibt es einen Nachdruck des Probierbüchleins des Stolberger Münzmeisters Justus Eberhard Volckmar Claus.

Der Aufbau der Ausstellung, ohne das Wirken vieler ehrenamtlicher engagierter Bürger auch weit über Stolberger Stadtgrenzen hinaus, allein reicht nicht, um einen Schatz für die Stadt daraus zu machen. Hier ist meiner Ansicht nach die große regionale Bedeutung erkannt worden. Mit der Nutzung von Fördermitteln ist auch die Verpflichtung verbunden, das Haus zum Leben zu erwecken. Das können eine Kassiererin und Überwachungskameras nicht leisten. Zum Tag der offenen Denkmals im September war es gelungen, die Vitrinen zu füllen und auch die Sonderausstellung mit „Glanzlichtern der Prägekunst“ aus fünf Jahrhunderten zu eröffnen, die mit großen zusätzlichem Aufwand für die Jahrestagung der Deutschen Medaillengesellschaft im Juni konzipiert worden war. Eine neue Serie von Artikeln in nationalen und internationalen Münzzeitschriften wird demnächst hoffentlich mehr Besucher in unser Haus führen. Für das nächste Jahr gibt es erste Voranmeldungen von Vereinen, darunter aus der Schweiz.

Das Land Sachsen-Anhalt hat durch seine Beauftragten die Bereitschaft zur weiteren Unterstützung bekundet. Bis Dezember 2004 wird dem zuständigen Staatssekretär ein „Zukunftspapier“ zur weiteren Entwicklung der ALTEN MÜNZE vorgelegt. Vergessen werden sollte dabei nicht, dass es derzeit nur den Mitgliedern des Geschichtsvereins, engagierten jungen Leuten und Bürgern der Stadt zu verdanken ist, dass das Museum seit Mitte Juli überhaupt von Besuchern genutzt werden kann. Der Verein hat sich verpflichtet bis einschließlich 2. Januar 2005 das Museum gemeinsam mit der Stadt zu betreiben. Die beantragten Fördermittel, durch das Land Sachsen-Anhalt bewilligt, von der Stadt und der Deutschen Stiftung Denkmalschutz mitfinanziert, hätten für die vielfältigen Aufgaben nicht gereicht, ungezählte ehrenamtliche Stunden sind in das Projekt eingeflossen. Auch die Mitarbeiter des städtischen Bauhofs haben viele Stunden im Haus gearbeitet. Die Liste der privaten Sponsoren wird immer länger.

Und noch ein Gedanke, ein kostendeckendes Museum ist sicher eine Illusion, aber für eine Stadt, die auf den Tourismus angewiesen ist, ein wirtschaftlicher und kultureller Gewinn.

Ich möchte nochmals allen danken, die das Projekt unterstützt und durch ihr Engagement befördert haben.

Monika Lücke (Oktober 2004)